Sehnsucht nach Altaussee

Wieder ist es Sommer worden, dritter, vierter Sommer schon.

Ist es Süden, ist es Norden, wo ich von der Heimat wohn?

 

Kam ich auf der wirren Reise nicht dem Ursprung wieder nah?

Dreht die Welt sich noch im Kreise - ist es Sommer, dort wie da?

 

Gelten noch die alten Strecken? Streben Gipfel noch zur Höh?

Liegt im bergumhegten Becken noch der Altausseer See?

 

Bot sich einst dem Blick entgegen - spiegelschwarz und wunderbar.

Himmel war nach manchem Regen bis zum Dachsteingletscher klar!

 

Kulm und Kuppe: noch die kleinern hielten Wache rings im Land.

Aufwärts ragten grün und steinern Moosberg, Loser, Trisselwand.

 

Ins Plateau zu hohem Rahmen wölbte sich die Pötschen schlank,

und es wuchsen die Zyklamen nur auf ihrem drübern Hang.

 

Ach, wie war ich aller Richtung, sommerlich vertrautes Kind!

Ach, wie war mir Wald und Lichtung, Bach und Mulde wohlgesinnt!

 

Treibt´s mich heut´zum See, zur Klause?

Treibt´s mich auf die Blaa Alm hin?

Wird´s beim Fischer eine Jause, wird´s ein Gang zur Wasnerin?

 

Wo die Triften sanft sich neigten

vom Geröll zum Flurgeheg -

ach, wo ist´s, dass sich verzweigten

Hoffmannsthal und Schnitzlerweg?

 

Ach, wo hat´s mich hingetrieben!

Pötschen weiß ich und Plateau.

Aber welcher Hang ist drüben?

Aber die Zyklamen - wo? 

                                                                Friedrich Torberg, Emigration, Kalifornien 1942